Gedanken zum Karfreitag 2020 von Pfr. Volker Busch

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf unserer Homepage,

Krisen, Krankheiten und Verlusterfahrungen haben Menschen zu allen Zeiten immer wieder nach Gott fragen lassen. Warum ich? Wo ist Gott? Warum verändert er nichts an der Situation? … Fragen, auf die es zwar zahlreiche Antwortversuche gibt, die aber alle letztlich nicht wirklich zufriedenstellen. Und so fällt es manchem in Krisenzeiten schwer, an einen Gott zu glauben, der uns Menschen liebt.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass einer meiner theologischen Lehrer mit Blick auf diese Fragen einmal gesagt hat: „wenn ich ‚da oben‘ angekommen bin, dann möchte ich nicht nur über mein Leben befragt werden, sondern dann möchte ich auch Antworten auf meine Fragen haben“. Das hat mich damals sehr beeindruckt, weil ich den Eindruck habe, dass diese Perspektive helfen kann, die fehlenden Antworten auszuhalten und gleichzeitig das Vertrauen ausdrückt, dass Gott eine Antwort hat.

Wenn wir in die biblischen Texte schauen, die von der Passion Jesu erzählen, dann finden viele Menschen sich auf ganz unterschiedliche Weise darin wieder. Da ist das Ringen Jesu beim Gebet im Garten Getsemani: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ (Mt 26,39) Im Blick auf den Gekreuzigten können Menschen sich identifizieren mit der Gottferne, die Jesus ausdrückt mit den Worten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen.“ (Mt 27, 46; Mk 15,34). Und vielen hilft der Blick auf den Schmerzensmann, der Leid und Tod erträgt. Jesus selbst erfährt, wie aus dem freudigen Hosianna ein „ans Kreuz mit ihm“ wird. Jesus erlebt das Dunkel von Einsamkeit und Verrat, von Ungerechtigkeit und Hass, von Leid und Tod. Christen bekennen Jesus als den Sohn Gottes. In ihm geht Gott den Weg durch Leid und Tod hindurch.

Menschen zu allen Zeiten haben daraus das Vertrauen geschöpft, dass Gott ihnen auch in schweren Zeiten nahe ist, weil er um das menschliche Leben weiß mit allen Höhen und mit allen Tiefen – er gerade in Krisen an der Seite geht und Kraft gibt. (Ein beeindruckendes Beispiel ist die Darstellung des Gekreuzigten auf dem Isenheimer Altar. Matthias Grünewald hat die Spuren der Geißelung dargestellt wie Pestmale, die den Menschen des 16. Jahrhunderts leidvoll vertraut waren. So konnten sie sich in diesem Gekreuzigten wiedererkennen. Und die Botschaft lautete: dieser ist einer von euch, in ihm dürft ihr euch wiederfinden, auf ihn dürft ihr hoffen.)
So gilt, was Leonardo Boff in Blick auf Weihnachten formuliert, erst recht im Blick auf Karfreitag: „Die Menschen fragten sich: Warum der Schmerz? Warum Demütigungen? Warum müssen gerade die Letzten der Erde so leiden? Das fragten die Menschen Gott, und Gott schwieg. Es gab keine Antwort, welche die Fragen schmerzerfüllter Herzen hätte beantworten können. Jetzt endlich, im Weihnachtsgeschehen spricht Gott. Gott kommt ganz klein zur Welt; er heißt Kind in einer Krippe. Gott antwortet nicht auf das Warum des Leides; er leidet mit.“

Das Vertrauen, dass Gott im Leiden mitgeht, kann die Hoffnung wecken, dass er alles zum Guten führen wird – vielleicht anders, als ich es mir erhoffe. Ich kann und ich muss vielleicht nicht alles verstehen, aber ich darf mich diesem Gott anvertrauen und mit Jesus sagen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46)

(P.S.: Dieses Vertrauen drückt für mich immer wieder das Taizé-Lied „In manus tuas pater“ aus. Vielleicht tut es gut, sich dieses gerade heute in einer Aufnahme im Internet anzuhören.)

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