Sex, Drugs and Rock’n’Roll from Scotland
Der 11er Leistungskurs Englisch auf der Lesung von Irvine Welsh
Er ist der vielleicht berühmteste zeitgenössische Autor britischer Herkunft, dessen Sprache sich aus Prinzip jenseits der Grenzen des guten Geschmacks bewegt. Sein Roman Trainspotting bewegte Mitte der 90er Jahre eine ganze Jugendgeneration. Dennoch wurde seinerzeit dem Buch die Aufnahme in die Shortlist des renommierten Booker Preises verwehrt, da er als sprachlich zu derbe galt. Die erfolgreiche Verfilmung des Stoffes öffnete Irvine Welsh dennoch die Tür zum Weltruhm. Offensive Sprache? Grenzwertige Charaktere und Handlungen? Das hört sich nach brauchbarem Stoff für Jungs an! Also nichts wie hin zur Lesung im brechend vollen Capitol Kino in der Neubrunnenstraße, zu der das Mainzer Literaturbüro geladen hatte. Nach einer kurzen Einführung in Trainspotting in den Tagen zuvor waren die Schüler vorgewarnt, dass sprachlich einiges zu erwarten war.
Welsh, geboren und aufgewachsen in Edinburgh, aber mittlerweile wohnhaft in den U.S.A., las aus seinem kürzlich übersetzten Roman „The Sex Lives of Siamese Twins“, der den Fitnesswahn der Amerikaner gekonnt persifliert. Moderiert durch den deutschen Autor Thorsten – Nagel – Nagelschmitt entwickelte sich ein höchst amüsanter und informativer Abend, in dessen Rahmen es auch gelang, dem Menschen Irvine Welsh etwas näher zu kommen. Unbeeindruckt von der Bürde des frühen Erfolges gelang ihm eine Karriere im Genre der Popliteratur, wie sie ihresgleichen sucht. Das größte Qualitätsmerkmal seiner 10 Romane und unzähliger Kurzgeschichten ist die genaue und zynische Beobachtung des britischen sowie amerikanischen Zeitgeistes.Geduldig beantwortete der Autor vielfältige Fragen hinsichtlich des Skandalpotenzials seiner Werke und gewährte interessante Einblicke in die Arbeit eines Schriftstellers. Das Unheimlichste am Schreiben etwa sei, dass man Wochen und Monate mit Leuten in einem Raum verbringe, die gar nicht existierten. Mit leichtem Muskelkater vom Lachen über Welshs schottischen Humor und vielen neuen sprachlichen Eindrücken endete der Abend am Büchertisch im Foyer, wo der Autor noch für ein Erinnerungsfoto parat stand.
Im Englischunterricht geht es übrigens deftig und brutal weiter – mit Shakespeare!
Roderik Becker