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Willigis-Schulfeiertag am 09.12.2020

In der sich dem Gottesdienst im Dom anschließenden Fortbildungsveranstaltung des Kollegiums nahm nach einführenden Worten des Schulleiters Gereon Geissler als Leiter des Dezernats Bildung Stellung zur Position christlicher Schulen im aktuellen Bistumsprozess „Eine Kirche, die teilt“.
Gereon Geissler stellte seine Ausführungen unter das Motto eines bekannten Kirchenlieds aus dem Jahr 1827, in dem es heißt: „Weck die ganze Christenheit / aus dem Schlaf der Sicherheit“. Schon damals sei offensichtlich deutlich kritisiert worden, dass die Glaubensbotschaft im Rahmen der traditionell entwickelten Strukturen nicht mehr erkennbar sei, ihr damit jede befreiende Dynamik genommen werde.
Dies treffe in gewisser Weise auch auf die aktuelle Situation der Kirche heute zu. Es gelte erneut zu fragen, ob die vorhandenen Strukturen der Wirklichkeit der Glaubensverkündigung noch entsprächen, sie wirklich unterstützten oder gar be- oder verhinderten. Gerade für Schulen sieht Geissler diese Gefahr allerdings nicht. Sie sei ein Ort „lebendiger Worte“ und authentischen Handelns.
Nachfolgend beschrieb er an einer Reihe von Fakten die aktuelle Krise, insbesondere den weiterhin starken Schwund an Kirchenmitgliedern, der über die finanziellen Folgen hinaus weit gravierender das religiöse Leben in den Gemeinden an sich betreffe. Eine Kehrtwende könne angesichts der gesamtgesellschaftlichen Prozesse nicht angenommen werden. Die fortschreitende Individualisierung aller Lebensbezüge in einer entwickelten postmodernen Gesellschaft schaffe neue „Lebensmittelpunkte“: Kindertagesstätten und Ganztagsschulen, Arbeitsplätze, Peergroups und Szenen, neue Kommunikations- und Interaktionsformen. Die lange Zeit die Kirche wie andere Institutionen tragenden Milieus seien de facto nicht mehr existent.
Notwendig sei deshalb ein inhaltlicher Aufbruch, dessen Primat eine Reform der Strukturen folgen müsse. Den bislang „übergroßen Mantel“ müsse man auf eine „schicke Sommerjacke“ hin abändern, die Änderungen aber strikt an inhaltlichen Kriterien ausrichten. Was sei das Singuläre, das Bewegende, das Begeisternde der Frohen Botschaft, und wie könne wir das zeitgemäß so artikulieren, dass es sich von denen anderer Bewegungen unterscheidet. Worin unterscheide sich denn der christliche Schöpfungsbegriff von dem etwa einer Organisation wie „Greenpeace“? Ebenso wichtig sei es, auch offen über Glaubensprobleme zu sprechen. Die Suche nach den Inhalten sei letztlich eine Suche nach Authentizität.
Der Begriff des Aufbruchs konnotiere notwendigerweise den des Wegs und Prozesses. Es sollte keine Gewissheiten dabei geben, weder auf Seiten der Leitenden, noch auf der der Geführten. Genau das komme in dem zu beschreitenden „synodalen Weg“ zum Ausdruck, wie ihn die Bischöfe propagierten. Man müsse sich als „pilgerndes Gottesvolk“ begreifen, nicht als „Gottesburg“ in einer als feindlich wahrgenommenen Gesellschaft. Ein Volk des Exodus wie im Alten Testament, das Zelte und keine festen Gebäude errichtet.
Der Auftrag von christlicher Schule auf diesem Weg bestehe darin, den den Glauben Suchenden jene Bildung zu verschaffen, ihn reflektiert anzunehmen und auszuüben. Nicht ohne Grund sei gerade in Ländern mit einem ausgeprägten säkularen Pluralismus das christliche Schulwesen besonders ausgeprägt, denn dort seien Schulen Brennpunkte der Evangelisation, der Kommunikation mit Nicht- und Andersgläubigen, der Offenheit für gesellschaftliche Veränderung. Christentum sei eine „Bildungsreligion“, es gehe darum, über das Hören zu einem Verstehen zu gelangen. Das aber gelinge letztlich nur dann, wenn gelebter Glaube authentisch für den Suchenden erfahrbar werde. Dies sei die genuine Chance von Schule und zugleich ihre Legitimation, die sich eben nicht auf Tradition allein berufen dürfe.
Wo nun im „pastoralen Weg“ des Bistums die Schulen zu verorten seien, ergebe sich aus dem Begriff des „Kirchorts“, der ebenso für die Gemeinde wie für Schule selbst gelte. In den künftigen Großgemeinden seien Vernetzung ganz neuer Art von Kirchorten nicht nur möglich, sondern mehr als notwendig. Schule als Kommunikationszentrum könne so z.B. auch Ort von Elternarbeit, Familienpastoral, Jugendarbeit und Erwachsenenseelsorge werden. Oder auch als Gemeinde agieren.
„Was tun wir, was andere nicht tun?“ – Der pastorale Weg biete die Möglichkeit gerade auch der Schule, sich ihrer selbst zu vergewissern.

Dr. Roman Riedel

Geschrieben am in