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Vorhang auf zu endlich wieder mehr Kultur am Willigis

Thomas Manns Radioansprachen – eine Lesung von Peter Blum

 Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie fand am 3. Mai eine Szenische Lesung im Foyer der Willigis-Schulen statt. Eine Veranstaltung, die durch den Arbeitskreis „Kunst und Kultur“ und die großzügige Spende des Vereins der Freunde den Schülerinnen und Schülern der Leistungskurse 11 sowie Lehrern und Gästen ermöglicht wurde.

Peter Blum – freier Schauspieler und ehemaliger Willigis-Schüler – gestaltete eine Lesung über Thomas Manns Radioansprachen an die Deutschen während des Zweiten Weltkrieges und band diese in eindrucksvoller Weise in die Kriegsentwicklung ein. Es entstand ein spannungsvoller Wechsel zwischen den Lesungen aus den Ansprachen und dem Zeitkontext, den persönlichen Entwicklungen und der politischen Einstellung Thomas Manns.

Die Lesung eröffnete den Zuhörern den Blick auf den anderen Thomas Mann, den wir oft nur als Romancier, Sprachkünstler, Nobelpreisträger für Literatur kennen. Peter Blum verstand es durch seine Textauswahl, die dramaturgische Reduktion der Texte sowie die zeitgeschichtliche Einbettung den mahnenden, appellierenden, hoffenden und am Ende doch verzweifelten Thomas Mann nahezubringen. Das Anprangern Hitlers und seiner Chargen, Manns Versuche, den Deutschen die Augen zu öffnen, seine Appelle, Widerstand zu wagen, seine Hoffnung, dass die Deutschen die Menschenverachtung des Regimes erkennen mögen und für ihre Freiheit eine Revolution wagen würden, wechselten sich in den Rezitationen mit Manns wachsender Verzweiflung ab. Es waren wohl Manns Worte der Verzweiflung, die im Verlauf der Lesung am meisten aufrüttelten und berührten. Das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht des Schriftstellers im fernen amerikanischen Exil angesichts der Gräuel und menschenverachtenden Methoden des Regimes – ist dies nicht erschreckend aktuell? Wie aktuell ist Manns Schmerz und Trauer angesichts zerbombter, zerstörter deutscher Städte? So manche Schilderungen Manns ließen, unterstützt durch die eindringliche Lesung Peter Blums, nicht nur Bilder aus der deutschen Vergangenheit lebendig werden, sondern auch Bilder vom gegenwärtigen Krieg in der Ukraine.

In einer Sache irrte Thomas Mann leider gewaltig, dass es nach Hitler keinen Diktator in Europa mehr geben werde!

Unser Dank für diesen besonderen Abend gilt Peter Blum, den wir hoffentlich nicht zum letzten Mal als Schauspieler am Willigis gesehen haben.

Dagmar Keck, Mitglied des AK Kunst und Kultur am Willigis

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