Lucas Hellbusch Willigis-Abiturient 2016 – jüngster Schiedsrichter in der Handball-Bundesliga

Artikel aus MAINSPITZE vom 01.09.2021

Darnel Jansen und Lucas Hellbusch pfeifen in der Beletage des deutschen Männerhandballs. Die 25-Jährigen sind fleißig, bekommen gute Noten und vertrauen sich blind.

Künftig auch in der Männer-Bundesliga mittendrin: die Treburer „Schiris“ Darnel Jansen und Lucas Hellbusch (grüne Trikots, von links). Foto: imago

TREBUR – Das Handball-Ostercamp des TV Trebur 2010 war nicht nur der Beginn einer engen Freundschaft zwischen dem Geinsheimer Darnel Jansen und dem Treburer Lucas Hellbusch, sondern auch der Anpfiff für eine erfolgreiche Karriere als Schiedsrichtergespann. „Wir hatten damals eigentlich andere Kumpel, aber die waren beim Camp nicht dabei und dann haben wir festgestellt, dass wir ähnlich ticken und uns mögen“, erinnert sich Lucas Hellbusch. Als der TVT im Jahr darauf Schiedsrichter suchte, waren die damals 15-Jährigen bereits „ein Arsch und ein Kopp“ (Jansen) und erklärten sich bereit, Ausbildung und Prüfung anzugehen – mit dem Ziel, als „kleinstes Team der Welt“ (Hellbusch) gemeinsam auf dem Platz zu stehen und über Tore, Siebenmeter und Zeitstrafen zu entscheiden. Knapp zehn Jahre später sind Jansen und Hellbusch jetzt in der Handball-Bundesliga angekommen und sagen: „Wir vertrauen dem anderen und seinem Urteilsvermögen blind.“

In diesem Sommer wurden die 25-jährigen Studenten in den Elite-Anschlusskader des Deutschen Handball-Bundes (DHB) berufen. Das heißt, sie pfeifen nach wie vor Spiele der Ersten Frauen-Bundesliga und der Zweiten Liga (Männer und Frauen), werden aber nun auch in der Ersten Liga der Männer eingesetzt. Premiere ist am 12. September (16 Uhr) bei der Partie Bergischer HC gegen Aufsteiger HSV Hamburg in Solingen. „Es kribbelt extrem und wir freuen uns massiv drauf“, sagt Hellbusch. „Vor allem freuen wir uns darauf, dass in den Hallen endlich wieder mehrere Tausend Fans dabei sein können. Das erzeugt auch für uns Schiedsrichter nochmal eine besondere Anspannung“, ergänzt Jansen.

Mit 25 Jahren bilden die beiden in dieser Saison das jüngste Gespann in der Handball-Bundesliga. Nach zwei Jahren im Bezirk Darmstadt kamen die im Abstand von sechs Tagen geborenen Treburer, die sich als heimatverbunden bezeichnen, mit 17 Jahren bereits in den U23-Förderkader des hessischen Verbandes und pfiffen Partien der Landes- und Oberliga. Sprungbrett für höhere Aufgaben war ein Sichtungsturnier in Biberach an der Riss, bei dem sich die damals 18-Jährigen für die Junioren-Bundesliga empfahlen. Mit 19 stiegen Hellbusch/Jansen dann bereits in die Zweite Liga auf.

„Wir waren oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort und haben erst im Nachhinein realisiert, wie schnell das ging“, erinnert sich Darnel Jansen, der seinen Bachelor in Wirtschaftspsychologie geschafft hat und das Studium ab Oktober beim Bundeskriminalamt fortsetzt. Lucas Hellbusch, der Publizistik studiert hat und jetzt Sportökonomie im Master lernt, sagt zum schnellen Aufstieg: „Wir sagen eigentlich nie Nein und nehmen alles mit. Wir haben extrem Lust, investieren viel Zeit in den Schiedsrichterjob und geben ihm einen sehr hohen Stellenwert. Diese Einstellung hat uns sicher sehr weitergeholfen.“

Um sich voll auf das Pfeifen konzentrieren zu können, gab das Duo, das im Young Referee Project des europäischen Verbands EHF gefördert wird, mit 20 seine eigene Handballkarriere beim TV Trebur auf. Denn der zeitliche Aufwand und die Verletzungsgefahr waren zu groß. Einmal in der Woche schauen die ehemaligen Erstmannschaftsspieler noch bei den Teamkollegen vorbei und bestreiten das Lauftraining gemeinsam. Außerdem stehen individuelles Fitness- und Krafttraining, Videostudium der jüngsten Partie und der Mannschaften der anstehenden Begegnung sowie Online-Konferenzen und Lehrgänge mit dem Schiedsrichterteam an. Zwischen 20 und 30 Stunden pro Woche investiert jeder in sein Hobby. „Es vergeht kein Tag, an dem wir uns nicht mit Handball beschäftigten“, sagt Hellbusch. Das Thema Profischiedsrichter sehen beide noch kritisch: „Es ist wichtig, dass man einen Ausgleich hat und noch was anderes macht, sonst verkrampft man und so ist man auch unabhängiger“, sagt Jansen.

Bei der Antwort auf die Frage, was einen guten Schiedsrichter ausmacht, sind sich die Südhessen einig: „In allererster Linie der Umgang mit Fehlern“, sagt Jansen, „man kann aus jedem etwas lernen.“ Und Hellbusch ergänzt: „Wenn ich mich zu lange mit einem Fehler aufhalte, ist der nächste Fehler gleich programmiert.“ Außerdem sei Empathie wichtig: „Man muss versuchen, sich in die Spieler hineinzuversetzen.“ Bei ihren bisher über 300 Begegnungen (davon 110 in der ersten und zweiten Liga) waren aber auch schwierige Spielleitungen dabei. „Es gibt schon Entscheidungen, nach denen wir mal ein, zwei Tage nicht gut schlafen“, sagt Jansen.

Höhepunkte in der bisherigen Referee-Karriere waren die Schüler-Weltmeisterschaft in Katar und zwei internationale Turniere in Kroatien und Tschechien. Doch nun sollen viele neue hinzukommen. Ziel ist es, in den nächsten drei Jahren den Aufstieg in den Elitekader zu schaffen und dann regelmäßig in der Beletage des deutschen Handballs Spiele zu leiten; darüber entscheidet der Punkteschnitt bei den Bewertungen der Schiedsrichterbeobachter und der Vereine. Und der Traum? „Einmal das Final-Four-Pokalturnier in Hamburg vor 15 000 Fans pfeifen, davon schwärmen die erfahrenen Kollegen“, sagt Jansen. „Und noch lange Teil des besten Sports der Welt sein“, ergänzt Hellbusch. Die Altersgrenze liegt bei 50 Jahren – dann wären die beiden Treburer ihr halbes Leben ein Erstliga-Schiedsrichterpaar.

Heiko Weissinger (Sportredakteur)

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