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„Kleider machen Leute“

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Unser Aussehen ist uns wichtig. An dem, was wir tragen, soll man sehen können, wer wir sind. Kleidung ist für uns Teil unserer Selbstdarstellung. Manchmal erzeugt sie Gemeinschaftsgefühl und Zusammengehörigkeit so gehört zu jedem Abi mittlerweile das Abi-Shirt. Im Stadion trägt man natürlich das Trikot seines Vereines. Kleidung soll schön sein, wir wollen uns darin wohlfühlen. Zum Wohlfühlen gehört auch, dass sie zu uns passt. Manchmal scheint es das Wichtigste zu sein, dass sie das richtige Label trägt. Manchmal, dass sie der aktuellen Mode entspricht, die Trendfarbe des Monats hat, den angesagten Schnitt. Jedenfalls soll sie billig und schnell verfügbar sein. Die Modebranche bedient unsere Bedürfnisse durch schnelle Konfektionswechsel, Schnäppchen-Preise und immer neue Produktlinien. Manche Kleidungsketten wechseln mittlerweile zehn oder zwölf Mal im Jahr ihr Sortiment. Jeder Besuch in den Läden wird zu einem neuen Einkaufserlebnis, denn jedes Mal ist vieles neu. Große und prallgefüllte Einkaufstaschen, deren Inhalt wenig gekostet hat, sind sichtbares Zeichen einer erfolgreichen Shopping-Tour. Kleider machen Leute und wir lassen uns gerne zu Leuten machen.

Es gilt aber auch der umgekehrte Satz: “Leute machen Kleider“. Dass unsere Kleidung irgendwo gemacht wird und das oft unter fragwürdigen Bedingungen, wissen wir – eigentlich. Noch nicht einmal ein Jahr ist es her, dass die Bilder und Berichte vom Einsturz des achtgeschossigen Gebäudes Rana Plaza nahe Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, durch die Nachrichten gingen. 1127 Menschen wurden dabei am 24.4.2013 getötet. Kurz war die Empörung groß und auch die Betroffenheit angesichts der Missstände in den Fabriken der armen Länder, in denen auch unsere Kleidung genäht wird. Nicht nur dass Bauvorschriften missachtet werden, auch die Arbeitsbedingungen der Näherinnen sind oft katastrophal. Arbeitnehmerrechte, die für uns selbstverständlich sind – Pausenzeiten, angemessene Entlohnung, freie Tage, begrenzte Arbeitszeiten und bezahlte Überstunden … – werden ihnen vorenthalten.

Aber was geht das uns an? Kann den Mode Sünde sein? Diese Frage mag jeder zunächst für sich beantworten. Ich denke aber, dass wir mit unserem Einkaufsverhalten mit bestimmen können, wie sich die Situation in den Fabriken entwickeln wird. Wie wichtig ist mir der Preis? Bin ich bereit, für’s gleiche Geld weniger Teile zu kaufen, wenn dafür gerechtere Löhne gezahlt werden? Frage ich in den Geschäften nach den Produktionsbedingungen gerade teurerer Produkte (erfahrungsgemäß kommen Verkäufer dann schwer ins Schleudern)? Lasse ich mich von Schnäppchen anlocken? Trage ich ein Kleidungsstück auf, auch wenn es nicht mehr der neuesten Mode entspricht? Bin ich bereit, auf etwas zu verzichten, weil es nicht fair hergestellt wurde? Bald läuft der Werberummel rund um die WM in Brasilien an. Gerade Trikots der Nationalmannschaft werden wieder heiß begehrt sein, wie auch der aktuelle Spielball. Sicherlich wird es im Freudenlärm wieder das Störgeräusch geben, das darauf hinweist, wie die Produktionsbedingungen dieser Produkte sind. Hören Sie mal hin.
Zum Glück gibt es zunehmend Siegel und Initiativen, die uns helfen, hinter die Fassade der Modebranche zu blicken. Ein wenig Forscherdrang braucht es allerdings schon, wenn man fair produzierter Kleidung auf die Spur kommen will.

„Glauben Sie, Sie können damit die Welt retten?“ war einmal die Gegenfrage eines Verkäufers. Natürlich nicht. Aber wir können danach fragen, wie wir mit unserem Verhalten die Welt beeinflussen. Unser Handeln hat Auswirkungen auf viele. In unserer globalisierten Welt auch auf viele, die wir nicht sehen.

Markus Hesping, Schulseelsorge

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