Gedanken zum Karsamstag 2020 von Pfr. Volker Busch
Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf unserer Homepage,
ich möchte Euch und Sie einladen, einen Moment beim Karsamstag zu bleiben und nicht schon überzugehen in die Osternacht, in der wir dann die Auferstehung Jesu feiern. Als Kind habe ich mich immer gefragt, wieso wir denn samstags um 21 Uhr schon Ostern feiern, wo Jesus doch erst an Karfreitag gestorben ist und das Glaubensbekenntnis von „am dritten Tag auferstanden“ spricht. Offenbar ist er schwer auszuhalten, der Karsamstag, der sogenannte Tag der Grabesruhe.
Und gleichzeitig hat er eine große Bedeutung. Zunächst sagt uns der Karsamstag: Jesus war wirklich tot, so wie es ja im Glaubensbekenntnis ausgedrückt wird mit der Formulierung „gestorben und begraben“. Ja, Jesus hat unser menschliches Leben geteilt mit allem, was dazu gehört – auch dem Tod. Das, was da an Karfreitag am Kreuz geschehen ist, war kein nur äußeres Geschehen, dass ihn innerlich möglicherweise gar nicht berührt hätte. Jesu Tod am Kreuz war kein „so tun als ob“, sondern bitterer Ernst.
Das wird im Glaubensbekenntnis auch ausgedrückt in der Formulierung „hinabgestiegen in das Reich des Todes“. Früher lautete die Formulierung sogar „abgestiegen zu der Hölle“. Spätestens jetzt spüren wir, dass diese Formulierung uns heute fremd ist, nicht zuletzt, weil sie ein Weltbild voraussetzt, das nicht mehr unser Weltbild ist.
Wenn wir diese Aussage allerdings metaphorisch verstehen und fragen, was eigentlich gemeint ist, dann entdecken wir ganz zentrale Inhalte. Die alttestamentliche Vorstellung vom Totenreich („Scheol“) war die, dass die Verstorbenen dort eine Art Schattendasein führten, fern von Gott, in Einsamkeit und ohne jegliche Kommunikation. Indem Christus in diese Totenwelt hinabsteigt, ist Gott selbst dort gegenwärtig. Auch für die bereits Gestorbenen gibt es Hoffnung, denn Christus nimmt sie mit ins Leben. Bei Darstellungen der sogenannten „Höllenfahrt Christi“ ist zu sehen, wie Christus die Hölle verlässt und Menschen aus der Hölle befreit, unter anderen Adam und Eva. Damit wird ausgesagt: der gesamten Menschheit von Anfang an gilt das befreiende Handeln Gottes in Jesus Christus, der Tod ist endgültig vernichtet.
Der Katholische Erwachsenenkatechismus formuliert es so: „Wenn nun von Jesus gesagt wird, er sei in das Reich des Todes hinabgestiegen, dann heißt das nicht nur, dass er in unser allgemeinmenschliches Todesschicksal eingegangen ist, sondern dass er auch eingegangen ist in die ganze Verlassenheit und Einsamkeit des Todes, dass er die Erfahrung der Sinnlosigkeit, die Nacht und in diesem Sinn die Hölle des Menschseins auf sich genommen hat. Im Glaubensartikel vom Abstieg in das Reich des Todes geht es also nicht um ein vergangenes Weltbild, sondern in der Sprache des damaligen Weltbilds um eine bleibende Tiefendimension des Menschen, die nicht erst im Jenseits auf uns wartet, sondern schon mitten in diesem Leben anhebt.“ (KEK S. 195)
Einsamkeit, gestörte oder gar fehlende Kommunikation sind Erfahrungen, die Menschen zu allen Zeiten immer wieder machen mussten. Als Christen, die Ostern feiern, lädt uns der Karsamstag ein, Jesus auch dorthin zu folgen und neu Gemeinschaft und Solidarität zu leben – hier und jetzt. Gerade in der aktuellen Krisenzeit, in der wir Distanz halten müssen, braucht es vielleicht mehr denn je Menschen, die genau wahrnehmen, wo andere einsam und verlassen sind – und die genau dort Zeichen von Hoffnung, Zeichen von Gemeinschaft, Zeichen von Auferstehung setzen.