Erich Honecker und Thüringer Klöße – Walter Körner referiert in der Klasse 10a

Zum wiederholten Mal gastierte Zeitzeuge Walter Körner im Willigis-Gymnasium, diesmal im Geschichtsunterricht der Klasse 10a auf Einladung  des Studienreferendars Felix Posnien, der momentan im Rahmen seiner Examensreihe zum Thema „Geschichtskultur“ die Geschichte der DDR bearbeitet. Aber: Halt! – Hat sich hier nicht bereits ein Schreibfehler eingeschlichen? – DDR? – In Walter Körners Sprachgebrauch muss es zumindest „DDR“ heißen, noch besser aber „SBZ“ oder: „So genannter Staat“
Im Verlauf der  neunzigminütigen Veranstaltung im gerade fertig gestellten Teil des neuen Lernzentrums spannte der 69jährige Diplomingenieur und ehemalige Ringer des DDR-Olympiakaders in unterhaltsamer und authentischer Weise den Bogen von seiner bis dato

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erstmals gelungenen Flucht eines DDR-Bürger  per PKW über Rumänien, Jugoslawien und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland 1974 bis zu seinen momentan noch andauernden Bemühungen, die Bespitzelung durch die Stasi nach seiner Flucht lückenlos aufzudecken und die „Klarnamen“ der „Informellen Mitarbeiter“ („IM’s“) herauszufinden. So vermischten sich im Laufe seiner Ausführungen  die durchaus spürbare Genugtuung über das Gelingen der ebenso genial geplanten aber auch risikobehafteten Flucht – Körner hatte gemeinsam mit einem Ringerkollegen aus dem DDR-Olympiakader ein Ausreisevisum mit Hilfe einer Schreibmaschine gefälscht, wobei ihnen ein Buchstabe „versprang“ – mit der ebenso spürbaren Betroffenheit erfahren zu müssen, dass ehemalige Freunde aus dem Umfeld des Fußballclubs FC Carl-Zeiss Jena ihn noch bis zur Wende ausspioniert hatten.
Kernpunkt dieser Vergangenheitsbewältigung ist eine vor Körners Flucht regelmäßig einmal pro Woche in Jena stattfindende Skatrunde, an der außer Körner selbst auch Fußballer von Carl-Zeiss

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Jena und spätere Trainer wie Bernd Stange oder Jörg Berger (verstorben 2010) teilnahmen. So erzählt er lachend die Anekdote, dass Jörg Berger die bei einem dieser durchaus feucht-fröhlichen Abende vom Essen übrig gebliebenen Thüringer Klöße auf ein in der Kneipe hängendes Bild des Staats- und Parteichefs Erich Honecker warf und voll „ins Schwarze“ traf, worauf alle anderen die restlichen Klöße hinterher schleuderten. Was zu diesem Zeitpunkt keiner außer Stange selbst wusste: Bernd Stange arbeitete für die Stasi
Er bespitzelte als „IM Kurt Wegner“ den 1979 aus der DDR geflohenen Jörg Berger  ebenso wie den 1974 „republikflüchtigen“ Walter Körner und meldete gewissenhaft alle Details eines Besuch Körners in Kaiserslautern kurz nach seiner Flucht anlässlich eines Freundschaftsspiels des 1.FC Kaiserslautern gegen Jena an die Stasi. Überhaupt musste Walter Körner bei seinen Recherchen

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feststellen, dass der lange Arm der Stasi permanent in sein neues Leben im Westen hineinragte, so wurden z.B. alle seine Autonummern penibel registriert.
Emotionale Höhepunkte waren sicherlich Körners sehr persönliche Erfahrungen bei Einreisen in die DDR in den 80er Jahren, bei denen er – natürlich als „Hochverräter“  registriert – menschenverachtende Schikanen über sich ergehen lassen musste oder bei einem Einreiseversuch am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin zurückgewiesen wurde mit der Begründung, seine Anwesenheit sei „in der Hauptstadt der DDR unerwünscht.“.
Seine Grundeinstellung  verdeutlichte Walter Körner dann abschließend auf eine Frage der Schüler, wie er den  Mauerfall erlebt habe bzw. die Reaktion der DDR-Bürger darauf: „Unrechtsstaat bleibt Unrechtsstaat, da kann  man nicht sagen, es war nicht alles schlecht …“

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Aber: „Sensationell war, dass das alles friedlich verlief“. „Ich hätte nie damit gerechnet, denn ich war immer der Meinung, was der Kommunismus einmal hat, das gibt er nicht mehr her“.

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