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Bürgerrechtler Pfarrer Rainer Eppelmann als Gast im Willigis

Vor 25 Jahren – für alle unserer Schülerinnen und Schüler vor ihrem Geburtsjahr – fand mit der deutschen Wiedervereinigung ein historisches Ereignis statt, das in vielfacher Hinsicht einzigartig ist. Die Schule war so glücklich, durch Vermittlung der Konrad-Adenauer-Stiftung, einen Zeitzeugen für einen Vortrag an unserer Schule zu gewinnen, der von Beginn an im Zentrum dieses Ereignisses stand, Herrn Pfarrer Rainer Eppelmann. Rainer Eppelmann_10.2015_bRainer Eppelmann war viele Jahre aktives Mitglied, ja Repräsentant der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung in der DDR, er war Mitglied des Runden Tischs und der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR und später Mitglied des Deutschen Bundestags. Er hat also die geschichtliche Entwicklung zur Wiedervereinigung, sie selbst und ihre weitere Ausgestaltung aus nächster Nähe und verantwortlich erlebt. Von daher ist sein Zeugnis besonders wertvoll und trägt sicherlich dazu bei, dieses historische Ereignis in seinen vielen Dimensionen zu verstehen.
Im Mittelpunkt seines Vortrags stand die rhetorische Frage, in welchem politischen System ein gelingendes Leben möglich sei: in der Demokratie oder der Diktatur. Das Grundbedürfnis des Menschen, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten, kann nur in einer Demokratie Verwirklichung finden. Die Geschichte zeigt aber, dass dessen ungeachtet viele Menschen in Diktaturen leben müssen, in denen einige wenige im Namen von Ideologien über andere herrschen. Wie er an Stationen seines Lebens deutlich machte, war diese Selbstbestimmung eben auch in der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik von deren Beginn an im Grunde nur als Resilienz oder Widerstand möglich. Wer diesen Weg nicht gehen wollte oder konnte, dem blieb nur die Emigration, wofür sich letztlich bis 1989 vier Millionen Menschen entschieden, oder die Anpassung, das „Flüstern“. Rainer Eppelmann_10.2015_aEntscheidend für Eppelmanns Leben wurde der Entschluss des 21jährigen, den Dienst an der Waffe in der Nationalen Volksarmee und den Diensteid zu verweigern, wofür er mit acht Monaten Gefängnis bestraft wurde. Widerständigkeit blieb auch im weiteren Leben Eppelmanns die Maxime seines Handelns, ob als evangelischer Pfarrer, als bekanntes Mitglied der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung, als Abgeordneter der erstmals 1989 frei gewählten Volkskammer der DDR oder als Mitglied des Deutschen Bundestags. Wie sich eine jahrzehntelange Anpassung an Indoktrination, Manipulation und Repression auf die Menschen auswirkt, war ein weiteres Thema, auf das Eppelmann – auch im Hinblick auf den aktuellen Rechtsradikalismus in den neuen Bundesländern, aber eben nicht dort -, auch nach Rückfragen aus dem Auditorium einging. Betroffen machte auch, dass die Staatssicherheit der DDR wenigstens zweimal versuchte, ihn zu töten. Eppelmann schloss seine Ausführungen mit einem Appell an die „Nachgeborenen“, sich der Gefahr, Demokratie als gegeben und unveränderlich zu sehen, bewusst zu werden. Stattdessen sei es notwendig, sie in ihrer „Kostbarkeit“ zu begreifen, sie aktiv zu gestalten, für sie einzutreten, sie zu verteidigen und sich für ihre Einführung zu engagieren – da, wo sie noch nicht vorhanden ist.
Dr. Roman Riedel

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