„Willigis-Bienen“ – Ein Imker sagt Danke

Sehr geehrter Herr Dr. Reinbold,

letzten Mittwoch hatte ich die großartige Gelegenheit, einen Bienenschwarm an Ihrem Gymnasium einzusammeln und ihm ein neues Zuhause zu geben. Einen Bienenschwarm zu bekommen, ist für mich als Imker jedes Mal ein ganz besonderes Ereignis. Ich schreibe Ihnen dies in der Hoffnung und mit der Bitte, diese Mail an Lehrer, den Hausmeister und auch an ihre Schüler weiterzuleiten. Denn ich fühle mich als Imker auch verpflichtet, über das Leben der Bienen aufzuklären. Grundsätzlich sind Schwärme die liebsten und friedlichsten Wesen überhaupt. Man kann eine Hand reinstecken und muss keine Angst haben. Sie haben schließlich keinen Honig zu verteidigen.
Im Frühjahr möchten die Bienen sich vermehren. Darum beginnen die Bienen, Weiselzellen anzulegen. Dies sind große Brutzellen, in welchen neue Königinnen herangezogen werden. Damit bereitet sich das Volk auf das Schwärmen vor – weswegen diese Brutzellen auch Schwarmzellen genannt werden. Als Imker sucht man die Behausungen der Bienen (Beuten) nach diesen Zellen ab und entfernt diese, um den Schwarmdrang zu unterbinden. Aber es kann (bei 25.000 Bienen in einer Beute und dem Gewusel) natürlich auch passieren, dass man eine solche Zelle übersieht. Dann schlüpft daraus eine neue Königin. Und da zwei Königinnen eine zu viel ist in einem Volk, nimmt sich die „alte“ vorhandene Königin einen Teil des Volkes (etwa die Hälfte) mit, zieht aus und überlässt die Beute mit den restlichen Bienen der neu geschlüpften Königin. Sie schwärmen. Natürlich nimmt die ausgezogene Königin nur die stärksten und treuesten Bienen mit. Die Bienen eines Schwarms sind zudem außerordentlich friedlich. Vor dem Schwärmen haben sie sich nämlich mit Honig gestärkt, da sie nicht wissen, wo und wann sie in ein neues Zuhause kommen. Sie sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie kein Interesse an irgendetwas Anderem haben, außer an sich selbst. Man kann als Imker einen Schwarm sogar ohne Schutzbekleidung gefahrlos einsammeln. Die Schutzkleidung dient nur dazu, falls sich bei den Bewegungen doch mal eine Biene in den Haaren oder Ärmel verfangen sollte. Denn in Todesangst sticht auch die friedlichste aller Bienen. Sonst ist es ihre alleinige Aufgabe, ihre Königin zu schützen und ein sicheres neues Heim zu finden. Nichts anderes interessiert sie in diesem Moment. In unserer heutigen Zeit ist ein Schwarm ohne Hilfe eines Imkers leider in der Regel dem Tod geweiht. In unserer Welt finden sich keine natürlichen Höhlen und Löcher mehr, welche für sie als neue Behausung dienen könnte. Dabei sind sie so wichtig für uns Menschen. Albert Einstein soll schon 1949 erkannt haben: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr.“ (Zitat Albert Einstein, 1949)
Ich habe den Bienen eine neue Behausung zur Verfügung gestellt. Spannende Stunden folgten, denn nicht immer nimmt das junge Bienenvolk das Angebot auch an. Aber in diesem Fall bin ich froh sagen zu können, dass die Bienen sich mit ihrer Königin offenbar wohl fühlen in der Beute, die ich ihnen anbieten konnte. In der Geschwister-Scholl-Straße auf dem Gelände der Mainzer Wasserwerke können Sie gerne Ihre „Willigis-Bienen“ wiedersehen. An Ihrer Schule ist ein neues Bienenvolk entstanden. Ein Schwarm ist generell ein sehr starkes und widerstandsfähiges Volk und wird ab Herbst hoffentlich viel Honig eintragen. Das Beste, was der Natur und mir als Imker widerfahren kann. Ich möchte Sie bitten zu verbreiten, dass das Ereignis an Ihrer Schule etwa ganz Besonderes war und keine Bedrohung darstellte. Ganz im Gegenteil. Sie waren Zeuge eines wunderbaren Ereignisses aus der Welt der Bienen und unserer Natur.

Herzliche Grüße
Ihr Imker von den Mainzer Stadtbienen
Gunnar Darge
Mainz, den 23.05.2023

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