10 Jahre GetOut

Schüler einer 9. Klasse sind mit Rucksack und Karte im Hunsrück unterwegs. Startort und Ziel sind bekannt, den Weg dorthin suchen sie selbst. Je nach Geschick beim Kartenlesen ist der Weg kürzer oder länger, hat er mehr oder weniger Umwege. Mal fünf, mal acht Stunden laufen sie, je nachdem. Die Jungs sind auf GetOut, der erlebnispädagogischen Fahrt am Willigis-Gymnasium. Im Schuljahr 2018/19 wurde es zum zehnten Mal durchgeführt.
Im Mai 2008 beschloss die Gesamtkonferenz, diese Fahrt in das Fahrtenkonzept aufzunehmen. Andreas Münster, damals Mitglied der Schulseelsorge, hatte es initiiert. Im Herbst des gleichen Jahres unternahm er zusammen mit Eva Spinner einen Testdurchlauf mit einer Klasse. Ziel war damals der Jakobsberg. Seit dem Schuljahr 2008/09 findet GetOut mit allen Klassen des jeweiligen 9. Jahrgangs statt. „Würmer fressen im Hunsrück“, wie es ein Schüler einmal nannte, ist jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung für die Klassen, die losziehen. Dabei sind die Rahmenbedingungen eigentlich bekannt: Die Klasse trifft sich, ausgerüstet mit Rucksack und Wanderschuhen, morgens in der Schule. Nachdem die Klasse mit ihrer Tagesaufgabe vertraut gemacht worden ist, organisiert sie sich: eine Gruppe verwaltet die Finanzen, eine Gruppe plant die Fahrt, eine das Essen, eine die Wanderung. Ziel ist immer die Martinshütte bei Seibersbach.
Dann zieht man los, kauft am Bahnhof Fahrkarten und fährt mit Bahn und Bus nach Waldalgesheim. Dort angekommen, übernimmt die Gruppe mit der Landkarte. Nicht immer findet sie den idealen Weg. Kollegen, die oft dabei waren, berichten, dass sie bei acht Durchgängen acht verschiedene Wege gegangen sind. Unterwegs wird eingekauft. Aber wer trägt die Einkäufe? Auch das will organisiert sein. Absprachen sind notwendig, alle müssen sich einbringen. Mancher stößt an seine Grenzen, mehr noch wachsen über sich hinaus. Man hilft sich. Überhaupt sind Fähigkeiten gefragt, die sonst in der Schule weniger gebraucht werden. Aber noch immer sind alle bis ans Ziel gelangt. Die Kolleginnen und Kollegen, die die Gruppe begleiten, gehen alle (Um-)Wege mit, sie sorgen für Sicherheit und dafür, dass keiner zurückbleibt.
Am Nachmittag wird die Martinshütte erreicht. Dort wartet der VW-Bus der Schulseelsorge, in ihm sind Planen, Schnüre und Heringe. Jetzt ist die Klasse aufgefordert, sich eine Unterkunft zu bauen. Und so entstehen Biwaks, in denen die Schüler in kleinen Gruppen die beiden Nächte verbringen. Was man dafür an Persönlichem braucht, hat man auf dem Rücken mitgebracht.
Je nach Wetter, es ist schon September, gibt es warme, kalte oder feuchte Nächte. Die Jugendlichen halten das alles durch. Oft nehmen Eltern zu Hause die Lage vor Ort schwerer als ihre Söhne. Egal aber, welches Wetter ist: Lagerfeuer sind Pflicht. In der Küche kochen die Schüler, was sie mitgebracht haben. Wer wissen will, was sich Jungs unter gutem Essen vorstellen, hier kann er es sehen. So viel sei verraten: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat ein ganz anderes Konzept von gesunder Ernährung…
Am zweiten Tag dann reflektiert die Gruppe ihr Erlebnis unter Anleitung der begleitenden Lehrerinnen und Lehrer und verbringt gemeinsame Zeit auf dem Platz. Das Handyverbot, das bei GetOut gilt, tut das seinige zum Gruppenerlebnis dazu. Am dritten Tag wandert die Gruppe eine kurze Strecke zur nächsten Bushaltestelle, von der aus es zurückgeht.
Für die Schüler ist GetOut ein intensives Erlebnis. Die Wanderung durchhalten, Essen für 25 Personen planen, kaufen und zubereiten, draußen übernachten. Das alles sind für die meisten Jugendlichen neue und ungewohnte Erfahrungen. In den 10 Jahren, die es dieses Projekt gibt, hat es einen festen Platz im Fahrtenkonzept des Willigis gefunden. Allerdings ist es auch für die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer eine ganz eigene Herausforderung. Sie lassen sich auf die Planungen ihrer Schüler ein, nehmen auch Pannen in Kauf, die sie selbst vermeiden könnten, und verbringen ihre Zeit an der Martinshütte unter einfachsten Umständen. Zugleich lernen sie aber auch ihre Schüler auf eine ganz neue Art kennen. Ein Team aus dem Kollegium hat sich GetOut zu eigen gemacht und begleitet die Klassen in jedem Jahr und leitet die Reflexion des Erlebten an.

Seit 2016 gibt es in der Projektwoche auch ein „Spin-Off“ von GetOut: GetOut-Extreme. Eva Spinner hat diese Erlebnistour im Pfälzer Wald ins Leben gerufen, an der auch Schülerinnen und Schüler der Realschule teilnehmen können. Aber das ist eine andere Geschichte.

Markus Hesping, Mitglied der Schulseelsorge

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