Geschichte

Das Ziel unseres Unterrichts lässt sich vielleicht am besten in einer Spielszene verdeutlichen, die Gustav A. Süß bereits 1975 im ersten Band des „Curriculum Geschichte“ veröffentlichte, und die an Aktualität nichts eingebüßt hat, was die Wiederveröffentlichung in „Praxis Geschichte“ vom Mai 2003 belegt:

Sokrates und der Soldat Trasybulos

Trasybulos: Guten Morgen, Sokrates!
Sokrates: Guten Morgen, Trasybulos! Gut siehst Du aus in deiner Rüstung. Du bist wohl ein tüchtiger Soldat?
Trasybulos: Klar! Ich habe im Kampf schon 10 Thebaner totgeschlagen.
Sokrates: Brav, Trasybulos; denn die Thebaner sind alle Lumpen.
Trasybulos: Das hat schon unser General gesagt, Sokrates.
Sokrates: Und der General der Thebaner hat seinen Soldaten gesagt, dass alle Athener Lumpen sind.
Trasybulos: Aber das stimmt doch nicht, Sokrates! Wir Athener sind keine Lumpen.
Sokrates: Sind denn die Thebaner Lumpen, Trasybulos?
Trasybulos: Wie, meinst Du etwa, unser General habe nicht recht?
Sokrates: Ich weiß nicht, Trasybulos, wir wollen das nächste Mal darüber weitersprechen.

Idealerweise verlässt jetzt der Lehrer den Klassensaal, so wie Sokrates sich aus dem Staub machte und einen zweifelnden Gesprächspartner auf der Agora zurückließ. Aber leider sind wir nicht Sokrates: Unsere „Gespräche“ sind auf 45 Minuten genormt, die Fachwissenschaft fordert von uns ein bestimmtes Maß an Stoffvermittlung, die Schüler sind häufig nicht „gesprächsbereit“ und so bleibt oft die Kunst der Mäeutik auf der Strecke. Dafür müssen wir auch nicht den Schierlingsbecher trinken, weil wir die Götter gelästert haben und die Regierenden kritisierten, man kann uns auch nicht – wie Sokrates – den Vorwurf machen, dass wir die Jugend verderben. Doch gerade hier liegt der Schlüssel für die zu behandelnden Inhalte: Es geht uns nicht darum, bestimmte kategoriale Inhalte im Sinne der Bildungstheorie abzuhandeln, sondern Filter für die zu behandelnden Stoffe ist die Frage der Erziehungsrelevanz. Wir wollen Haltungen erzeugen, welche die Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung ermöglichen. Hier befinden wir uns auch im Einklang mit der Grundordnung, die von uns die Erziehung zur Verantwortung und zum Engagement für den Mitmenschen und die Welt fordert. Deshalb sollen die Schüler über den Stoff Selbstverständliches in Frage stellen, sich auf die „Suche nach Wahrheit“ begeben, die Frage nach den Nutznießern, den Leidtragenden stellen. Dies gelingt aber nur, wenn der Stoff für den Schüler ein Problem darstellt, denn erst dadurch wird ein Anreiz geschaffen sich mit einer „toten Materie“ zu beschäftigen. Hier kommt dem Historiker sein hermeneutischer Zirkel zu Hilfe, mit dem wir uns auf Spurensuche begeben können, indem wir exemplarische Quellen zu einem Gesamtbild zusammenführen und eine mögliche (!) Antwort anbieten. Die fachwissenschaftliche Genauigkeit leidet durch diese didaktische Reduktion, was dann häufig zu dem Vorwurf führt, dass Schüler keine Jahreszahlen mehr kennen und nicht wissen, was sich hinter bestimmten historischen Ereignissen verbirgt. Es ist deshalb aus unserer Sicht wichtig, den Schülern ab der 7. Klasse schon einen Zahlen- und Begriffskatalog an die Hand zu geben. Dennoch sind die Erziehungsziele diesen Wissenszielen vorgeordnet. Dies wird inhaltlich auch dazu führen, dass ein Durchgang durch die Geschichte, welcher primär an der politischen Geschichte orientiert ist, überflüssig wird. Das exemplarische Lernen wird schon deshalb notwendig, weil „das Geschehene“ immer weiter wächst und unsere Gesellschaft zwar mangelndes Geschichtsbewußtsein beklagt, andererseits aber die Stundenanzahl im Fach Geschichte kürzt. Wir wollen nicht bei Bismarck oder Hitler am Ende der 10. Klasse hängen bleiben, denn wir sind es den Bürgern unseres Staates schuldig auch die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in angemessener Weise zu behandeln. Geschichtsunterricht findet aber auch an außerschulischen Lernorten statt. Hier sind regelmäßige Unterrichtsgänge im Zusammenhang mit dem Willigistag (23. Februar) zu nennen, Fahrten nach Bonn ins Haus der Geschichte, Exkursionen in das römische Trier oder in das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg. In der Oberstufe hat sich seit einigen Jahren die Studienfahrt nach Rom etabliert. Unsere sehr erfolgreiche Geschichts-AG wird von Herrn Schwarz betreut, eine sehr gut ausgestattete Bibliothek wird von Herrn Riedel immer auf den neuesten Stand gebracht und ständig erweitert. Natürlich sind die neuen Medien an uns nicht spurlos vorbeigegangen: Über das Intranet haben die Schüler Zugang zu unserem Bibliotheksbestand, in der Bibliothek selbst stehen ständig vier Rechner für den Internetzugang bereit. Momentan sind wir dabei, die über das gesamte Schulhaus verteilten Medien in einem eigenen Fachschaftsraum zusammenzufassen. Wir sind uns aber nicht zu ´schade´, auch echte Überreste in Form von Plattenspielern und Wandkarten einzusetzen, ergänzt von Video, DVD und demnächst Beamer. Sokrates würde jetzt vielleicht fragen, ob ein guter Lehrer einen Beamer braucht – wir könnten das mit Sicherheit verneinen, aber auch anmerken, dass man sich der Zeit anpassen muß, will man weiter die Götter lästern und die Jugend verderben…..

Walter König, Fachschaftssprecher